Wir sind angekommen …

Madeira – unsere neue Heimat

Nach langer Zeit (ca.9 Monate) habe ich heute auf unserer Webseite noch einmal den letzten Bericht von Thomas vom 20.05.2022 gelesen und mir die Videos der Demonstrationen angeschaut.
Die Gefühle haben sich nicht verändert… Wut, Ohnmacht, Traurigkeit und jede Menge Frust.
Seitdem wir im April 21 unsere Weltreise wegen Corona abbrechen mussten, hatten wir mehr denn ja das Gefühl, dass es in Deutschland nur noch bergab geht.
Wir nahmen an Demonstrationen in Hamburg und Berlin teil, hatten das Gefühl, irgendetwas . tun zu wollen, um den ganzen Irrsinn zu stoppen. Wir wollten nur unsere Meinung kundtun, wir wollten gehört werden, wir wollten diskutieren, wir wollten unser altes Leben zurück.
Wir haben an der Siegessäule in Berlin mit vielen Anderen die Nationalhymne gesungen, ein bewegender Moment, denn gegenüber standen die Wasserwerfer der Polizei des ganzen Landes.
Ich musste mich schubsen, anpöbeln und mit Pfefferspray besprühen lassen und von einem Polizisten wurde mir wortwörtlich „Gewalt“ angedroht. Außerdem sah ich, wie zahlreiche Menschen verhaftet wurden, teilweise mit roher Polizeigewalt, unter ihnen auch Frauen und ältere Leute, Kinder mussten mit ansehen, wie ihre Väter abgeführt wurden.
In der ehemaligen DDR aufgewachsen hatten wir das Gefühl, dass wir das alles schon einmal erlebt hatten.
In meinem Job als Erzieherin wurde es auch immer schwieriger.

ungeimpft
Diskriminierung nach 3G-Regel

Als Ungeimpfte fühlte ich mich diskriminiert, wie wahrscheinlich viele andere Menschen, die vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wurden.
Kurz vor der Bundestagswahl im September 2021 habe ich zu Thomas gesagt: „Wenn Herr Lauterbach Gesundheitsminister wird, dann wandern wir aus.“ Da war schon ziemlich klar, wie die zukünftige Regierung in Deutschland aussehen wird.
So haben wir nach der Wahl unser Haus zum Verkauf angeboten und gleichzeitig auf Madeira ein neues kaufen können.

Lauterbach
“Wir werden alle sterben …”

Ein wirklicher Glücksfall, da die Immobilien auch hier immer teurer werden und etwas Passendes zu finden auch sehr schwierig ist.
Ich habe meinen Job gekündigt, den ich mit Leidenschaft ausgeübt habe. Leider musste ich im Laufe der Jahre erkennen, dass Bildung in Deutschland nicht gewollt ist und meine Vorstellung vom Beruf der Erzieherin waren bzw. sind nicht kompatibel mit dem Bildungssystem der Bundesrepublik.

Nichts als leere Worte von Seiten der Politik und in der Realität wie in allen sozialen Bereichen permanenter Personalmangel, ausgebranntes Personal, eine Folge einer Politik, die diese Bereiche zu Tode spart.

Hut ab vor allen meinen Kolleginnen und Kollegen (ich verzichte hier bewusst aufs Gendern), die jeden Tag ihre Frau bzw. ihren Mann stehen, ich hatte dieses Durchhaltevermögen nicht. Viele von ihnen versuchen zu retten, was nicht mehr zu retten ist, viele haben auch aufgegeben.

Aber zurück in die Gegenwart:
Warum Madeira? Wir haben hier 2017 geheiratet und waren in den folgenden Jahren immer mal wieder hier. Die Insel ist einfach fantastisch!
Anfang 2022 waren beide Immobiliengeschäfte in trockenen Tüchern (Haus in Deutschland verkauft und ein neues auf Madeira erworben) und am 25.05.2022 sind wir mit dem Auto in Reinbek gestartet und zunächst für ein paar Tage ins Allgäu zu unserer Verwandtschaft gefahren.

Container
Packen in Deutschland

Von dort ging es über Österreich, die Schweiz, Frankreich und Spanien bis nach Lissabon.
Unterwegs haben wir von deutschen Sendern schon wieder Nachrichten gehört, in denen berichtet wurde, dass die Coronazahlen in Portugal steigen. Wir sind etwas nervös geworden, hatten Angst, dass man die Grenzen wieder schließt. Also haben wir das letzte Stück etwas schneller zurückgelegt und nach knapp zwei Wochen Lissabon erreicht.
In Portugal war Corona dann allerdings kein großes Thema.
Am 07.06.2022 haben wir unser Auto im Hafen von Lissabon abgegeben, von dort aus wurde es mit dem Frachtschiff nach Madeira gebracht. Alles hat reibungslos geklappt.
In freudiger Erwartung buchten wir den Flug von Lissabon für den 09.06.2022. Ich konnte es jetzt kaum mehr erwarten unser neues wunderschönes Haus zu beziehen.
Jetzt konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Aber es kam anders.
Thomas wurde am Flughafen bei der Sicherheitskontrolle festgenommen. Er hatte ein Armband mit einer kleinen Klinge (ca. 3 cm) am Handgelenk und vergessen dieses abzunehmen.
Die Polizei war sehr freundlich. Thomas Armband fanden sie sehr interessant. Teilweise waren bis zu sieben Polizisten im Office und bewunderten das Armband. Auch ich konnte mich im Office frei bewegen, durfte Thomas Kaffee und Wasser bringen.
Ein Polizist kümmerte sich sehr freundlich um mich und hat mir den ganzen Sachverhalt in Ruhe erklärt. Wir hatten eine halbe Stunde ein nettes Gespräch und am Ende gab er mir seine private Telefonnummer für den Fall, dass wir irgendwann Hilfe brauchen würden.
Nach drei Stunden bei der Polizei wurde Thomas gegen eine Gebühr von 107 Euro wieder freigelassen.
Unser Flug war natürlich weg. Wir versuchten umzubuchen. Keine Chance, denn am 10.06. ist in Portugal Nationalfeiertag. Es gab keine Flüge bzw. nur total überteuert. Also haben wir für Sonntag, den 12.06. einen Flug bekommen und noch ein paar Tage in Lissabon verbracht.
Vielleicht sollte es so sein, denn so konnten wir in der Hauptstadt erleben, wie die Portugiesen den Nationalfeiertag zelebrieren. Es war einfach herrlich die Menschen so ausgelassen und fröhlich zu sehen, denn auch in Portugal gab es wegen Covid erhebliche Einschränkungen.
Dann war es endlich soweit. Wir erreichten Madeira am Nachmittag und wurden von unseren neuen Nachbarn am Flughafen abgeholt.
Eine Woche später wurde unser von Deutschland verschiffter Container entladen und die Sachen in unser neues Haus gebracht.
Und noch ein paar Tage später kam das Auto an.
Jetzt sind wir bereits 8 Monate hier und einfach nur glücklich.
Mit Meerblick aufwachend stellen wir jeden Tag fest, dass wir im Paradies wohnen. Wir gehen im Meer schwimmen, wann immer der Atlantik es zulässt.
Die Insel ist so wunderschön und facettenreich. Egal an welchem Ort man hier ist, es gibt immer was Schönes zu entdecken. Vor allem die Madeirenser haben es mir angetan. Sie sind immer gut gelaunt, hilfsbereit und freundlich (Ausnahmen bestätigen die Regel). Vieles ist hier einfacher als in Deutschland.
Nehmen wir mal die Einrichtung eines Bankkontos.
Ohne Termin haben wir ein Konto eröffnen können. Es hat ca. 1 Stunde gedauert, dann hatten wir unseren Account, die Visakarten mit den Pins und am Ende ging der Angestellte persönlich mit uns zum Automaten und zeigte uns, wie wir Geld abheben und den PIN ändern können.
Alles ganz in Ruhe und immer mit einem echten Lächeln und überzeugender Freundlichkeit.
So oder ähnlich erging es uns auch bei der Anmeldung von Wasser und Strom.
Interessant ist auch die Telefonie bzw. Internet. Wir haben hier eine 500.000 MBit/s Glasfaserleitung (kein Schreibfehler) direkt bis ins Haus hinein. Und das auf einer Insel. Hier findest du immer irgendwo ein kostenloses WLAN, das beginnt schon am Flughafen.
Der Anschluss unseres Internets passierte zwei Tage nach der Anmeldung. Wir staunten nur, wie einfach alles ist. Unsere bereits vorhandene Prepaidnummer konnten wir behalten.

An einem Samstag mussten wir die Notaufnahme einer Poliklinik in Anspruch nehmen. Wir waren um 11:00 Uhr dort und um kurz nach 12:00 Uhr wieder draußen.
Bei der Anmeldung wurden wir gefragt, ob wir einen Allgemeinmediziner oder einen Facharzt konsultieren wollen. Thomas entschied sich für den Facharzt. Innerhalb von einer Stunde wurde die Anmeldung und die Behandlung bei einem Facharzt abgewickelt. Wohlbemerkt: In der Notaufnahme.
Die Krankenversicherung ist hier übrigens für alle Einheimischen und Ausländer, die hier permanent leben, kostenlos. Damit hat man eine gute Grundversorgung. Außerdem haben wir für sehr wenig Geld eine private Krankenzusatzversicherung abgeschlossen.
Gerade las ich einen Artikel über eine Kinderklinik in Deutschland, in der jetzt wegen der Folgen des Maskentragens immer mehr kleine Patienten in die Notaufnahme kommen. Diese müssen dort 4, 8 und sogar bis zu 24 Stunden auf eine Behandlung warten. Und wie lange muss man auf einen Facharzttermin in Deutschland warten?

Manchmal muss man aber auch hier Geduld haben, z.B. an der Kasse des Supermarktes. Da gibt es Smalltalk auch wenn noch 10 Leute anstehen. Alles immer schön in Ruhe…
Wir haben inzwischen viele Feste hier auf Madeira besucht. Jedes Wochenende ist irgendwo etwas los. Es gibt viel Musik und gutes Essen.
Der Umgang der Menschen untereinander ist hier ein anderer. Höflichkeit, Rücksichtnahme und Respekt sind hier an der Tagesordnung.
Besonders in öffentlichen Verkehrsmitteln fällt es mir immer wieder auf. Der Bus fährt erst los, wenn alle Leute sitzen bzw. einen sicheren Stehplatz haben. Auch die meisten Autofahrer sind rücksichtvoller gegenüber Fußgängern oder anderen Fahrzeugen. Man gewährt dem anderen gern durch Handzeichen die Vorfahrt. Das erleben wir jeden Tag.
Wir waren häufig in Baufachmärkten unterwegs. Hier wird man noch angesprochen und gefragt, ob man Hilfe braucht. Die Beratung ist stets freundlich und kompetent, Bestellungen werden mit einer Logistik abgewickelt, von der sich Deutschland eine dicke Scheibe abschneiden kann.
Und wieder die Erinnerung: Wir sind auf einer Insel mitten im Atlantik. Alles muss mit dem Schiff hierher.
Ist die Ware im Baumarkt eingetroffen, bekommt man automatisch eine Nachricht aufs Handy. Wenn man dann in den Markt hineinfährt, um die Ware abzuholen, ist es selbstverständlich, dass der Mitarbeiter die Ware in das Auto des Kunden packt.
So könnte ich unendlich weiterschreiben aus dem täglichen Leben hier auf Madeira.

Es ist nicht meine Absicht Deutschland schlecht zu reden. Sicherlich gibt es auch sehr viele positive Dinge, nur fallen mir leider immer weniger ein.
Das Leben dort besteht in meiner Wahrnehmung nur noch daraus, den Leuten Angst einzuflößen.

Gestern Corona, heute Krieg und morgen die Atombomben …

Auch ich habe Angst. Ich möchte mein Leben aber nicht in ständiger Angst leben sondern genießen. Und das machen wir hier…

Durch den Krieg in der Ukraine hat man wieder mal einen Sündenbock für den ganzen Schlamassel in Deutschland gefunden, es sind immer die anderen Schuld …

Ich hoffe, dass irgendwann die Politiker, die dieses Deutschland, welches meine Eltern und Großeltern aufgebaut haben zur Verantwortung gezogen werden. Aber vorstellen kann ich es mir leider nicht.

Ich höre immer wieder von Bekannten und Freunden: „Ihr seid aber mutig!“  …. Ich finde jeden mutig, der in Deutschland bleibt!

Der einzige Fehler, den wir vielleicht gemacht haben, dass wir in Europa geblieben sind…

Wir schauen, was die Zukunft bringt …

Viele Leute sagen, Auswandern ist schwierig, wir haben ja noch Kinder, wir brauchen einen Job usw.
Ich sage dazu: Es ist möglich, auch mit Kindern. Man muss natürlich für Veränderungen bereit sein.
Aktuell kommen viele deutschsprachige Familien hierher. Ich kenne niemanden, der es bereut hat.

Funchal - Madeira
Im Zentrum der Hauptstadt

Wenn es euch interessiert, dann schaut gern gelegentlich mal wieder auf unsere Seite.
Wir werden zukünftig wieder mehr berichten, von den schönen Seiten der Insel und auch von zukünftigen Reisen.

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